Dieser Beitrag stammt von Autorin und PAN-Vorstandsmitglied Diana Menschig und nähert sich unserem Thema von einer ganz anderen Seite, die wir so noch gar nicht bedacht hatten. Vielen lieben Dank, Diana, für diese spannenden und witzigen Gedanken über: Namen.

 

 

Namensmagie

 

Eines der ältesten Motive in der Phantastik ist die Namensmagie. Oft muss der wahre Name bewahrt werden. Namen haben Macht, sind Magie, sprechen zu uns, und sie auszusprechen kann – je nach Setting – Glück oder Unglück bringen. Nicht zuletzt in Die Unendliche Geschichte wird die Kindliche Kaiserin gerettet, indem sie von einem Menschenkind einen neuen Namen erhält.

 

Auch in der Realität haben Namen eine viel größere Bedeutung, als wir uns eingestehen. „Ich lese alles, achte gar nicht darauf, wer das geschrieben hat“, tönt Amanda Lehmann vollmundig. Vielleicht meint sie es auch so – und greift unbewusst nach dem Liebesroman von Rosa Wolke, während sie den von Herbert Kosilowski liegen lässt.

 

Amandas Freund heißt Kevin Wegener, der ist eigentlich ganz patent, aber wie viele dumme Sprüche er sich schon hat anhören müssen, das kann er nicht mehr zählen. Er arbeitet gerade an einem Sachbuch über Astronomie. Der Verlag hat schon angedeutet, Kevin solle sich ein Pseudonym zulegen. Weil: Einem Kevin Wegener, dem traue man Kompetenz in Astronomie gar nicht erst zu. Wenn er einen Thriller schreiben würde und Amerikaner wäre, also zum Beispiel Kevin T. Webster hieße, dann wäre das etwas anderes, aber so?

 

Kevin will aber nun mal keine Thriller schreiben, er schreibt lieber Sachbücher. Und nachdem der Verlag das mit dem Pseudonym gesagt hat, kommt das Paar ordentlich ins Grübeln. Beide überlegen, ob sie einen reißerischen Thriller von Gerlinde Krautstrunk lesen würden? Oder eher einen von Amanda T. Webster? Wie wichtig ist es, dass auf dem Cover des französischen Regionalkrimis Claude Pinot steht, während er in Wahrheit von Claudia Schmidt, Autorin aus Köln, geschrieben wurde?

 

Wenn Amanda und Kevin ehrlich sind, fallen ihnen Antworten schwer. Dann müssen sie sich eingestehen, dass sie keinen heiteren Urlaubsroman von Waltraud Katzenschläger-Köttel kaufen würden. Von Kitty Beat schon eher. 

 

Worüber beide aber noch mehr grübeln: Da war diese Geschichte, die Harry-Potter-Erschafferin habe sich J. K. [Rowling] genannt, um ihr Geschlecht zu vertuschen. Auch Claudia Schmidt, die mit den französischen Regionalkrimis, nennt sich nicht Claudine sondern Claude Pinot. Schreibt am Ende Herbert Kosilowskis Bruder Herrmann unter dem Pseudonym Rosa Wolke …? Und was würde Kevins Verlag sagen, wenn er ein weibliches Pseudonym für sein Astronomie-Buch vorschlüge? 

 

Die Namen auf dem Cover wecken Erwartungen, lenken unsere Aufmerksamkeit.

 

Welche Macht haben Namen?

 

 

Diana Menschig