Tommy Krappweis übers Testlesen

Foto: Gary Busch
Foto: Gary Busch

 

 

Mara und der Feuerbringer, Bernd das Brot, Sportlerkind, Ghostsitter, Harpo Speaks, ...

 

Tommy Krappweis ist ein Allroundtalent und Bühnen sind sein Zuhause. Für meine Startnext Kampagne TESTLESEN plaudert er etwas aus dem Nähkästchen.

 

Vielen Dank, Tommy, für die Einblicke in deine Arbeit, und die Unterstützung!

 

 

Sonja Rüther hat mich im Zuge ihres Startnext Projektes zum Thema TESTLESEN darum gebeten, meine Erfahrungen dazu zu schildern. Das mache ich sehr gerne, denn ich hatte bei Band I und II meiner Trilogie MARA UND DER FEUERBRINGER die Unterstützung einer Gruppe von unterschiedlichen Testlesern und bin ihnen nach wie vor sehr dankbar. Allerdings lief das alles etwas anders ab, als es der ein oder andere vielleicht vermuten möchte und darum soll es im folgenden Beitrag gehen:

 

Nach dem ich bei Band I größtenteils damit beschäftigt gewesen war, meine Stimme zu finden, zu viele Absätze und Ausrufezeichen zu machen und nebenbei noch alles in den Kopf zu drömmeln, was mir mein wissenschaftlicher Berater Prof. Simek an Material empfohlen hatte, konnte ich das Ganze bei Band II schon etwas entspannter angehen. Und ich entdeckte das Testlesenlassen für mich. Das war für jeden, der mich privat kennt, zunächst ungewöhnlich, denn ich schreibe gern alleine, ich hasse Brainstormings und kann kaum mit mehr als einer Person gemeinsam an einer Sache arbeiten. Mein Hirn rast los und ich muss mitschreiben, weil ich sonst den Anschluss an den Zustand verliere, den man am besten mit „Flow“ umschreiben kann. Wenn ich im Flow bin, geht es mir gut. Und das ist gut für das Buch. Die Figuren reden schneller, als ich tippen kann und die Szenen laufen vor meinem geistigen Auge ab. Meistens tun sie das entlang der Story-Outline, manchmal aber weichen die Dinge im Gehirnkino davon ab und ich habe gelernt, dem Filmvorführer zu vertrauen. 

 

 

Allerdings lebt so ein Plotmonster wie MARA Und DER FEUERBRINGER nicht nur von Charakteren, Szenen und Momenten. Die Logik der Mechanik von Maras Fähigkeiten und der recht komplexe Plot rund um nordische Götter und solche, die es werden wollen, war anspruchsvoll, und ich war fest entschlossen, hier niemanden zu enttäuschen. Ich selbst kann es nicht ertragen, wenn die Mechanik in einem Buch oder in einem Film nicht kohärent ist, wenn Handlungsweisen und Umstände unlogisch oder wie platziert erscheinen. Zudem empfinde ich es als sehr störend, wenn Erklärungen nur der Erklärung willen abgelabert werden und oftmals ist hier weniger nötig, als der Autor zunächst denkt. 

 

Mir war klar, ich brauchte Testleser. Und zwar noch lange vor dem Lektorat. 

 

Nun hatte ich schon während der Veröffentlichung von MARA I in diversen Foren zum Thema Phantastik herumgepostet, ob nicht jemand meinem Buch eine Chance geben wolle. Interessanterweise war das Echo darauf zum allergrößten Teil positiv ausgefallen, denn die, die MARA dann tatsächlich zur Hand genommen hatten, bemängelten kaum etwas außer der vielen Absätze und Ausrufezeichen. Schließlich lud man mich zu einer Leserunde ins fantasy-forum.net ein und ich war überrascht, wie sachlich und freundlich es dort ablief. Selbst gelegentliche Ausreißer im Tonfall fingen sich wieder ein oder wurden eingefangen und als die Runde beendet war, überraschte ich mich selbst mit der Frage, ob jemand an einer längerfristigen Testleserei der Folgebände interessiert wäre. Man war. Und so richteten die Admins einen passwortgeschützten Thread ein und ich verschickte etwa alle zehn Tage ein PDF mit meinen neuesten MARA-Seiten - Natürlich nicht, ohne vorher eine Vereinbarung im Kreis zu schicken, in der sich alle per Unterschrift bereit erklärten, Stillschweigen zu bewahren und mich bei Umsetzung ihrer Anregungen nicht auf Urheberschaft zu verklagen. 

 

Allerdings hatte ich in meinem anderen Leben als TV-Produzent schon viele Testscreenings mitgemacht und dadurch am eigenen Leib erfahren, wie es ist wenn eine Gruppe von Menschen denkt, sie sei eingeladen, um zu kritisieren. Gerade in Deutschland ist es so, dass man unter Kritik leider im seltensten Falle Lob versteht. Viele Testzuschauer haben auch das Gefühl dass sie ihren Job nicht richtig machen, wenn sie einfach nur sagen: „Mir hat’s gefallen.“ Also muss man das in Bahnen lenken und das tut man am besten, indem man Fragen vorgibt. Wenn dann am Ende dieser Fragenliste noch Anlass zur Kritik bestimmter Punkte besteht, können diese natürlich noch hinzugefügt werden. Aber nach Abarbeitung einer Liste ist der Deutsche erst einmal generell zufrieden, denn er hat das Gefühl, dass er etwas geleistet hat. 

 

Nun waren die Testleser im Fantasy-Forum nicht gleichzusetzen mit dem typischen Testpublikum einer Marktforschung und das sollten sie auch gar nicht sein. Im Gegenteil, ich wollte Fantasyfans, die Klischees kennen, Mechaniken durchschauen oder hinterfragen, und die mir auf die Frage „Gab es so was schon mal und wenn ja wo?“ eine Antwort geben konnten. So konnte ich zum Beispiel erfolgreich ein paar drohende Gleichheiten mit dem Last Airbender vermeiden und die Tatsache, dass der Einsatz von Batmans Anti-Haifisch-Spray allgemein als „ganz schön abgefahren, also ich weiß ja nicht…“ empfunden wurde, war ein heilsamer Hinweis. Aber auch hier half allen (also nicht nur mir) der jeweils mitgelieferte Fragenkatalog: Ergibt dies oder jenes Sinn? Macht es die Figur unsympathisch/dümmer als sie sein sollte? Enttäuscht es Dich? Muss ich das unbedingt jetzt schon erklären oder hält man es noch ein paar Kapitel aus, im Dunkeln zu tappen? Solcherlei Fragen bzw. die Antworten darauf waren für mich von großem Wert. 

 

Gleichzeitig hatte ich ja auch noch Prof. Simek als eine andere Art von Testleser und er lieferte seinerseits alles immer auch an seine Tochter Rosi, die mir dann ebenfalls Mails schickte mit Anmerkungen, was sie im Text seltsam fand oder wo sich bei ihr Fragen aufgetan hatten. Meine damalige Roadmanagerin und heutige Lebensgefährtin Sophia stieß ebenfalls dazu und half mir nicht nur mit ihren Hinweisen und Fragen sondern auch damit, dass sie die Testlesungsergebnisse sortierte, zusammenfasste und so aufbereitete, dass ich damit arbeiten konnte. 

 

Im Endeffekt kann ich sagen, dass die gesamte Trilogie von der Testleserei enorm profitiert hat. Vielen Dank also auch hier noch einmal an Allanon, Amdiril, Cadeyra, Pantalaimon, Rusch, Simon The Sorcerer, Warin und Zack vom www.fantasy-forum.net. Als wir Band I dann verfilmten, lud ich alle ein, dabei zu sein. Aber leider schaffte es nur Simon The Sorcerer terminlich, zu uns zu stoßen. Dafür fuhr er aber an dem Drehtag auch zusammen mit Billy „Pippin“ Boyd im Bus herum, was ihm sauviel Spaß gemacht hat, wie man tags drauf im Forum lesen konnte. 

 

Ergänzend zu meinem kleinen Erfahrungsbericht möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass Testlesen nicht gleich Testlesen ist. Das, was ich bei MARA II & III gemacht habe, hat nur funktioniert, weil ich die Personen durch eine vorherige Leserunde kennengelernt hatte. Und ich rate zu Fragebögen, weil sie die Kritik kanalisieren und auch dazu animieren, diese zu durchdenken. 

 

 

Bei meiner Buchreihe GHOSTSITTER habe ich auch Testleser, aber aufgrund des weniger komplexen Plots und der insgesamt geringeren Seitenzahl der Bücher schicke ich nach Abschluss der ersten Fassung gerne ein PDF an ausgewählte Leute aus dem freundschaftlichen Umfeld. Wenngleich es bei GHOSTSITTER mehr um Charakter-Gags  und eine jeweils in sich abgeschlossene Story geht,  bekomme ich auch da oft hilfreiche Hinweise und kann Fragen stellen, die während des Schreibens aufkamen. Meine Freundin Sophia ist inzwischen eine Art Vorlektorat für alles, was ich so schreibe und dabei eine unschätzbare Hilfe.

 

Insgesamt möchte ich auf das Testlesen nicht mehr verzichten und halte es - zumindest in der Art, wie ich es damit halte und wofür ich es einsetze – für einen großen Gewinn. Und die Testleser selbst haben auch Spaß daran. Zum Dank baue ich nach und nach alle Namen aus dem Umfeld in meine Bücher ein. Natürlich darf widersprochen werden. Bislang gab es aber keine Beschwerden. 

 

Viel Erfolg Euch beim Schreiben und Dir, Sonja, mit dem Startnext-Projekt,

wünscht Tommy Krappweis

 

Weitere Infos zu Tommy Krappweis, seinen Büchern, Filmen, musikalischen und künstlerischen Machenschaften findet Ihr hier: 

http://tommykrappweis.de

https://m.facebook.com/tommy.krappweis/

https://twitter.com/tommykrappweis

 

 

 

So werdet auch ihr zu Unterstützern des Buchprojektes TESTLESEN:

 

 

Tommy beschreibt einige Aspekte, die zu einer guten Zusammenarbeit mit Testlesern dazu gehören. Wie beim Schreiben selbst gibt es auch hier nicht den einen richtigen Weg. In dem Handbuch TESTLESEN werden die unterschiedlichen Möglichkeiten, Arbeitsschritte, Testleserfundgruben, Highlights und NoGos beschrieben. Nutzt das Crowdfunding über Startnext als Vorbestellung ohne Aufpreis.

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