Der heutige Beitrag stammt von jemandem, der Voreingenommenheit mit einem Pseudonym begegnete – und eine interessante Entdeckung machte. Jerry J. Smith.

 

 

Den Wahnsinn untergraben – Pseudonyme als Chance?!

 

Als ich mit dem Schreiben anfing, suchte ich mir ein geschlechtsneutrales Pseudonym, damit meine Geschichten unbeeinflusst gelesen werden. Menschen packen Dinge, Situationen oder auch andere Menschen schließlich gern in Schubladen – es ordnet die Vielfalt der Welt in vertraute Kategorien und beruhigt ihren Sichere-Existenz-Monk. Es wäre schön, wenn die Grenzen und Muster in den Köpfen aufbrächen und wir die Dinge und Menschen um uns unvoreingenommen als das sehen, was sie sind, in all ihren Facetten. Damit sie ihren eigenen Zauber entfalten können. Doch bis dahin bieten Pseudonyme eine wunderbare Chance, die Genderfixierung in den Köpfen (auch der Verleger/innen) durch erfolgreiche Gegenbeispiele zu erschüttern. Dachte ich.

 

Vor zwei Jahren machte ich den Fehler, auf einen Branchenälteren zu hören, der fest davon überzeugt war, dass mein Gesicht dem Verkauf meiner Werke zuträglich sei. Und kaum, dass ich aus meiner Höhle gekrochen kam und in den sozialen Medien sichtbar wurde, geschah, was geschehen musste: Das Interesse stieg – allerdings an mir. An meinen Verkaufszahlen änderte das nicht viel. Die Leute interessierten sich für mich, meine Geschichte, meine Energie, was für sich betrachtet durchaus charmant ist. Doch ich wollte nie auf die Bühne, sondern schreiben. In Ruhe. Und mit dem Geschriebenen Menschen berühren, sie daran erinnern, was wirklich wichtig ist im Leben. Und da das nicht das Aussehen ist, dachte ich die letzten zwei Jahre, ich lebe schizophren, und bereute, mich je gezeigt zu haben. Doch beim Schreiben dieses Beitrages für UNKNOWN ist mir etwas bewusst geworden:

 

Als ich gerade sämtliche Fotos von mir aus Protest löschen wollte, realisierte ich, dass zu jedem Bild ein Text, eine Botschaft gehörte, und ich meinem ursprünglichen Anliegen instinktiv immer treu geblieben bin. Ich fing also an zu forschen, inwiefern meine Präsenz meine Stimme verdrängte, und befragte Menschen nach meiner Außenwirkung. Im Ergebnis sind weder Aussehen noch Geschlecht von Nachteil. Im Gegenteil. Wichtig ist die Balance – weniger Selfies, mehr Stimme, mehr Story, mehr Leben. Korrelation. 

 

UNKNOWN hat mich daran erinnert, was für Autoren wirklich wichtig ist: die eigene Stimme. Die Aussage, ob ein/e Autor/in typisch oder untypisch für sein/ihr Genre oder sein/ihr Geschlecht schreibt, ist somit weder ein Kompliment noch diskriminierend. Es ist eine Meinung. Pseudonyme bieten letztlich nur eine Chance für den ersten Eindruck. 

 

Die Einzigartigkeit deiner Stimme kannst du hinter keinem Pseudonym verstecken. Und das solltest du auch nicht. Genderfixierung wird langfristig allein durch authentische Originale untergraben, die beständig einzigartige Texte liefern. Daher: Verbiege dich nicht. Finde deine Stimme, schreibe, worauf du Bock hast, und tu es mit Stolz. Wenn du gut bist, wirst du dich durchsetzen. Immer.

 

Jerry J. Smith