Den Anfang macht Autor Sebastian Niedlich mit einem Text, den wir ohne zu zögern unterschreiben möchten. Viel Spaß!

 

 

Vorurteile sind so eine Sache. Manchmal ist man sich der Vorurteile, die man hat, durchaus bewusst. Ich hab zum Beispiel Vorurteile gegen Spargel. Als Kind wurde mir mal Spargel vorgesetzt und ich fand so ziemlich alles daran widerlich, inklusive der Soße. Nun gibt es aber genug Leute, die Spargel total super finden. Wer hat also recht? Ich natürlich, aber das ist nicht der Punkt.

 

Geschmäcker sind verschieden. Man kann Spargel mögen, muss man aber nicht. Man kann verschiedene Gründe anführen, warum der Spargel nichts geworden ist. Vielleicht hat man bei der Zubereitung Mist gebaut. Vielleicht hat man in die Soße aus Versehen das Zeug für die Fugendichtung reingemixt. Vielleicht ist aufgrund des Wetters der Spargel nicht so gut geworden. Aber vermutlich können wir uns alle darauf einigen, dass es etwas albern klänge, wenn jemand sagen würde: »Der Bauer war ’ne Frau, das konnte ja nichts werden.« Oder: »Ein Mann hat das angebaut, da steckt einfach keine Liebe drin.«

 

Sonderbarerweise argumentieren Leute aber so, wenn es um Bücher geht. »Nee, das ist von einem Mann geschrieben, da spritzt bestimmt wieder nur das Blut!« oder »Eine Frau hat das geschrieben? Danke, aber ich würde lieber was Spannendes lesen.« Als ob das Geschlecht etwas mit dem Inhalt zu tun hätte. Einige der bekanntesten und besten Krimis sind von Frauen geschrieben. Agatha Christie ist nur eine davon und den meisten Leuten wohl geläufig. Hingegen wurden einige der bekanntesten romantischen Komödien des Kinos, wie »Love Actually« oder »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« von dem Autor Richard Curtis geschrieben, der übrigens auch »Mr. Bean« erfunden hat. Wie kann man da behaupten, dass Frauen nicht spannend schreiben oder Männer nicht mit Gefühlen umgehen können? Was treibt Leute dazu, solch einen Unsinn zu denken? Ich kann es nicht beweisen, aber ich würde denken, dass es irgendwas mit Spargel zu tun hat. Hinterhältigem, fiesem Spargel.

 

Es ist nur natürlich, dass wir gewisse Dinge in geistige Schubladen packen. Die Evolution hat das für sinnvoll erklärt. Irgendwann in grauer Vorgeschichte hat mal ein Tier mit großen, spitzen Zähnen irgendeinem Höhlenmenschen ins Bein gebissen und daraufhin sagten alle: »Verdammt, also Tiere mit großen, spitzen Zähnen sollten wir in Zukunft meiden!«, und der Gebissene sagte vielleicht noch: »Aaaaaah!« Aber die Höhlenmenschen ließen sich nicht unterkriegen und freundeten sich zumindest mit einigen spitzzahnigen Tieren an. Ein paar tausend Jahre später haben wir Hunde im Haus, die in eine Jackentasche passen und keinem Einbrecher mehr Angst machen.

 

Zugegeben, der Vergleich ist vielleicht nicht super, aber hätten unsere Vorfahren damals ihre Vorurteile nicht überwunden, hätten wir jetzt keine Hunde, die uns Gesellschaft leisten und uns ebenfalls deutlich sagen, was sie von Spargel halten, wenn man ihnen welchen vor die Nase hält.

 

Ich schätze, was ich sagen will, ist: Lest mehr Geschichten! Egal ob von Männern oder Frauen! Hauptsache, es macht euch Freude! Aber esst keinen Spargel. Auch wenn es euch Freude macht. Es gibt Dinge, die gehen einfach zu weit. 

 

Sebastian Niedlich